Bild oben: Langhaus des Wikingermuseum Borg (Erstveröffentlichung in Ringhorn 75 des VfGH)
Das Wikingermuseum auf den Lofoten
von Jörg Gerald Rohfeld
Im dunklen grau der Nacht verschwimmen Berge und Wolken im Chaos der Elemente. Wolken türmen sich auf und werden vom Sturm wieder jäh zerfetzt. Blitze zucken durch die Nacht. Sie beleuchten im Himmel eine riesenhafte Gestalt. Die reißt einen gewaltigen Hammer hoch und lässt ihn krachend niederfahren. Abermals erhellt ein Blitz die Landschaft. Wieder und wieder hebt sich der Hammer und gewaltiges Grollen tobt über das Land. Mit den Blitzen zucken die Augenlider eines Mädchens im Schlaf. Sie erwacht im Halbdunkel des Langhauses und die Handlung des Films beginnt…
…ich bin im Vorführsaal des Wikingermuseums Borg auf den Lofoten und sehe den hauseigenen Film „Der Traum von Borg“, der die Besucher auf das Museum einstimmen soll. Hauptperson des Films ist ein heranwachsendes Mädchen, das im Laufe ihres Lebens die wechselvolle Geschichte ihrer Familie in den Wirren der Christianisierung erlebt, nach Island auswandern muss und später wieder auf den eigenen Hof nach Borg zurückkehrt.
Dieser wenn auch nur zwanzig minütige Film hat in meinen Augen erste Kinoqualität und berührt mich mit seinen eindrucksvollen Bildern zutiefst. Als das Licht den Saal wieder erhellt, gehe ich - noch etwas verträumt - mit den anderen Besuchern langsam wieder hinaus in die eigentliche Ausstellung des Wikingermuseums.
Bild oben: Die Lofoten, Norwegen
Die Lofoten sind eine Inselgruppe, die in Nordnorwegen weit in den Atlantik hineinragt und für ihren Fischfang (Dorsch) schon seit je her bekannt gewesen ist. Schon in der Steinzeit waren Menschengruppen zumindest zeitweilig hier ansässig, um sich in den reichen Fanggründen mit Fisch zu versorgen. Auf den äußersten drei Inseln (auf der Abbildung nicht zu erkennen) existieren Höhlen, in denen sogar Steinzeitmalereien gefunden worden sind.
Gerade der Fischfang macht den Wohlstand und die Handelsgrundlage für die Menschen in der Region aus. Und das nicht erst seit heute. Stockfisch wurde nachgewiesenermaßen schon im Mittelalter bis weit in den Süden hinein geliefert. Als Austausch bekam man Getreide und anderes, hier nicht erhältliches Gut.
Bekannt ist, dass die Wikinger nicht nur wehrhaft waren, sondern auch weitreisende Handelsleute gewesen sind. Handelsplätze und regelrechte Königshöfe sind in der Eisenzeit in Nordeuropa weit verbreitet gewesen und waren Dreh- und Angelpunkt des pulsierenden kulturellen und merkantilen Lebens mit bisweilen sogar höfischem Charakter.
Aber so weit im Norden wurde kein Hof dieses Ausmaßes vermutet. Bis in die 80er Jahren des letzten Jahrhunderts schlummerte auf der Lofoteninsel Vestvagoy also eine kleine Sensation unter der Grasnarbe. Bei landwirtschaftlicher Tätigkeit in Borg kamen Fundstücke zutage, die die Archäologie dazu veranlassten, das ganze Areal gründlich zu untersuchen. Das spatenwissenschaftliche Ergebnis war, dass an diesem Ort eine Siedlung vom zweiten bis zum fünfzehnten Jahrhundert n. d. Ztr. in unterschiedlicher Größe bestand.
Darüber hinaus sei übrigens erwähnt, dass schon in der Antike über die „Hyperboreaner“ berichtet wurde (das sind die, die über dem nördlichen Wendekreis wohnen) und einen allesverschlingenden Malstrom. Dieser gewaltige, tosende Strudel auf der Reibefläche zwischen unterschiedlichen Meeresströmungen vor den Lofoten ist legendär und die Altvorderen vermuteten eine riesige Krake auf dem Meeresgrund, die ganze Schiffe mit ihren Besatzungen in die Tiefe zieht.
Bild oben (von Gerald): Schmiedeeiserne Darstellung des Malstroms
Nun ist hier an dieser Stelle nachweislich im zweiten Jahrhundert mit stärkerer Siedlungstätigkeit begonnen worden. Ab dem fünften Jahrhundert wurde ein Langhaus von beachtlicher Größe gebaut (67 Meter), in mehreren Gebrauchsphasen genutzt und immer wieder verändert und erweitert. Um siebenhundert war das Haus 83 Meter lang und damit das größte aus der Wikingerzeit! Es war in fünf Räume aufgeteilt: Wohnteil, Haupteingang, Gildehalle, Lagerraum und Stall.
Die Lage der Siedlung ist schon recht eindrucksvoll mit einer guten Sicht auf naheliegende Berge und vor allen Dingen die Bucht. Diese ist auch damals nicht leicht erreichbar gewesen und es mussten schon geübte Seefahrer gewesen sein, die hier anlandeten. Dort befanden sich erwiesenermaßen drei Schiffshallen für Boote, von denen zwei sogar Langschiffe aufnehmen konnten. Ein Siedlungsteil wird von den Archäologen übrigens nach Vergleichen mit ähnlichen Formen in anderen Teilen des Landes als eine Art Mannschaftswohnbereich für die Leute des Häuptlings mit kasernenartigem Wesenszug betrachtet.