Menschen, Kulte, Wirtschaftsgüter
Das Mädchen von Egtved –
VON GERALD
Zum dänischen Grabungsfund „Egtvedpigen“, dem Mädchen von Egtved, gibt es nun Forschungsergebnisse, die ein neues Licht auf die Bündnispolitik und Handelsbeziehungen in der Bronzezeit wirft. Was das außerdem mit einem Sonnenritual und Bauchtanz zu tun hat, kann der Leser auf den folgenden Seiten erfahren.
Die Entdeckung des Grabes.
Über dreitausend Jahre ruhte das Mädchen von Egtved in ihrem bronzezeitlichen Grabhügel im südlichen Jütland in Dänemark. Über dreitausend Jahre… bis der Bauer Peder Platz sich im Jahre 1921 daran machte, die Reste eines Hügels abzutragen, um sich die Feldarbeit etwas wirtschaftlicher zu gestalten.
In der Mitte des Grabhügels stieß Platz auf einen Baumsarg und erahnte die Wichtigkeit seines Fundes. Er informierte das Dänische Nationalmuseum in Kopenhagen, dessen Direktor Sophus Müller sofort ein Grabungsteam entsandte und den Baumsarg zu weiteren Untersuchungen in das Nationalmuseum verbringen ließ.
Der Erhaltungszustand des Grabensembles war übrigens selbst im Verhältnis zu anderen gut erhaltenen Baumsargbestattungen in Hügelgräbern ganz hervorragend. Denn auch in Egtved bildete sich nach Errichtung des kuppelförmigen Hügels eine Eisenschicht, die den Inhalt des Grabes in seinem feuchten Milieu konservierte und sogar luftdicht einschloss.
Foto oben: Grabhügel des Mädchen von Egtved, Südjütland, Dänemark. Foto: Gerald
Das fand man im Sarg.
Der Sarg war ein circa 2,10 Meter langer, gespaltener und ausgehöhlter Eichenstamm, welcher einen Innenraum von 1,80 Meter Länge aufwies. Anhand der Jahresringe konnte das ungefähre Fällungsdatum des Baumes ermittelt werden – 1.370 vor der Zeitrechnung. Die Beisetzung fand im Sommer statt, da der Toten ein Schafgarbenbukett mit in den Sarg gelegt wurde.
In dem Baumsarg befand sich die zum Teil mumifizierte Leiche eines 1,60 Meter großen Mädchens im Alter von etwa 17 Jahren. Sie lag auf einer Schafwolldecke und war in einem Kuhfell eingehüllt. Sie hatte brünettes Haar, welches hinten halblang und ansonsten kurz geschnitten war.
Bild oben: „Kvindegrav (Frauengrab) fra Egtved“ aus Wikiwand.com
Kleidung
Die Tote ist mit ihrem Schmuck und Beigaben beigesetzt worden. Ihre Kleidung bestand aus einem Halbarmleibchen, welches den Bauch freiließ und einem Schnurrock. Solche Schnur- oder Wickelröcke aus Wollschnüren sind öfters in Baumsargbestattungen nachgewiesen worden (anderenorts häufig mit eingearbeiteten Bronzeröhrchen) und wie in diesem Fall auch mit einer Bronzescheibe mit Sonnenornamentik. Sie trug ebenfalls Armreife und Ohrschmuck aus Bronze und an einem gewebten Gürtel einen Hornkamm.
Foto oben: So könnte sie ausgesehen haben (Bild: Wikipedia). Das Haar war nach neuester Erkenntnis aber brünett.
Grabbeigaben
Der Toten zu Füßen fand man eine Birkenrindendose, welche Met bzw. ein Biermischgetränk mit Honig enthielt. Neben dem Kopf des Mädchens fand man eine weitere Birkenrindendose mit den Leichenbrand eines etwa fünf- bis sechsjährigen Jungen. Ob es sich hierbei um einen Verwandten, einer anderweitig nahestehenden Person oder aber um ein Menschenopfer handelt, ist unklar. Außerdem wurde der Verstorbenen ein Sträußlein Schafgarbe beigelegt.
Herkunft
Bis 2015 wurde naheliegender Weise angenommen, dass es sich bei dem Mädchen von Egtved um eine höhergestellte junge Frau aus dem Bereich des heutigen Dänemark handelte. Strontium-Analysen des Teams von Karin Frei (Nationalmuseum Kopenhagen) bezüglich des Zahnmaterials, der langen Haare und der Kleidung der Toten ergaben, dass das Mädchen aus dem Schwarzwald stammt, eineinhalb Jahre vor seinem Tod nach Jütland kam, nach einiger Zeit wieder eine weite Reisen unternahm (für ein halbes Jahr zurück in den Schwarzwald) und vor seinem Verscheiden noch einen Monat lang vor Ort in Dänemark lebte. Über diese schnellen und weiten Reisen waren die Wissenschaftler überrascht. Anscheinend muss den Bronzezeitlern eine höhere Beweglichkeit bescheinigt werden, als man bisher annahm.
Gesellschaftliche Stellung
Nur gesellschaftlich höhergestellte Personen wurden in solch aufwändigen Einzelbestattungen beerdigt. Dafür sprechen auch die Schmuckstücke der Toten. Für die Vermutung einer Verheiratung und damit verbunden Stärkung von Macht- und Handelsbeziehungen zweier Familien in Dänemark und Süddeutschland spricht sich Kristian Kristiansen von der Universität Göteborg aus. Schließlich waren "in der Bronzezeit Westeuropas Süddeutschland und Dänemark zwei dominante Machtzentren“.